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Leseprobe

  Das Ei des Columbus
  Schiller, Goethe und
die Donau
  Der »alte Esel« von
Weltenburg
  Inhaltsverzeichnis

Das Ei des Columbus

 

 

Mein Sohn, also mit dem Ei des Columbus verhält es sich so: Nachdem Columbus Amerika entdeckt hatte, kehrte er nach Spanien zurück und traf sich mit Freunden und Bekannten in einer Kneipe, denn man hatte ja was zu feiern. Zu vorgerückter Stunde, wie
man so sagt, man hatte also schon einigen Wein getrunken und war locker und lustig geworden, sagte einer der Freunde, dass die Entdeckung Amerikas gar nicht so außergewöhnlich gewesen sei, jeder einigermaßen gute Seefahrer hätte das auch gekonnt, nicht nur Columbus. Es wurde still, denn alle am Tisch und sogar die Kellner sahen zu Columbus hin, ob er sich etwa provoziert fühle und wie er reagieren würde. Columbus ließ sich aus der Küche ein rohes Ei bringen. Er forderte jeden der Freunde auf, das Ei mit seiner Spitze auf den Tisch hinzustellen, aber so, dass es nicht umfällt. Alle probierten es, aber es war eigentlich von vorneherein klar, dass das einfach nicht geht.

  Einer der Freunde sagte schließlich: »Realistisch betrachtet, ist das vollkommen unmöglich!« Nun nahm Columbus das Ei, schaute es sich sehr genau an, wog es in seinen beiden Händen, murmelte einige unverständliche Worte, um dem Ganzen eine feierliche Stimmung zu geben, und schlug es dann mit seiner Spitze ganz vorsichtig gegen den Tisch, so dass es eine kleine Delle bekam, jedoch ohne auszulaufen. Dadurch aber stand es nun fest mit seiner Spitze auf dem Tisch und die schwierige Aufgabe war gelöst. Da rief einer der Freunde, dass das so nicht ausgemacht gewesen wäre und Columbus ziemlich unfair vorgegangen sei. »Gewiss mag das etwas unfair gewesen sein«, erwiderte daraufhin Columbus, »aber hätte ich mich immer ganz korrekt verhalten,
wüssten wir auch noch nichts von der Neuen Welt.«
Seitenbeginn